Beratung und Bildung

 
 

Der Wissenstransfer durch Bildung und Beratung sowie eine horizontale Vernetzung der Akteure verbessern die Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Sektors. Ein effektiver und effizienter Wissenstransfer ist unabdingbar, um die bestehenden und künftigen komplexen Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Daher sehen wir die Förderung von Bildung, Beratung und Innovation als wichtige Investition in die Zukunft und begrüßen diese ausdrücklich. Zur Optimierung und Effizienzsteigerung dieser und weiterer Maßnahmen im Wissenstransfer und der Innovation sollte ein eigenständiger Förderbereich „ELER – Wissen und Innovation“ eingerichtet werden. Nur mit dieser Systemoptimierung ist eine bessere Zielerreichung bei den Begünstigten erreichbar.

1 Agrarsektor durch Wissenstransfer und Beratung sichern

Im Agrarbereich bestehen systembedingt komplexe Herausforderungen. Diese bedingen einen wirksamen und effizienten Wissenstransfer. Darunter wird hier der Austausch von Wissen durch Bildung und Beratung verstanden. Letztere leistet situativ ebenso einen zielgerichteten und individualisierten Bildungsinput. Wissenstransfer ist essentiell, damit Landwirtschaftsbetriebe Veränderungen erfolgreich gestalten und Produkt- sowie Verfahrensinnovationen auf den Betrieben erfolgreich umsetzen. Das ermöglicht ihnen, betriebliche Anforderungen und Ziele zu erreichen und gleichzeitig den Anforderungen der Gesellschaft zu entsprechen.

Der enge, vertrauensvolle Kontakt zwischen Landwirtsfamilie und Beratung wirkt als Drehscheibe top down, bottom up und horizontal. Als interaktives Modell des Austausches werden dadurch die Reflexion und Handlungsentscheidung der Landwirtsfamilie beschleunigt. Sowohl der Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis wie auch umgekehrt ist zu ebnen und zu fördern. Dieser wechselseitige Austausch bietet die besten Voraussetzungen, um die Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Sektors an sich ständig ändernde Rahmenbedingungen nachhaltig zu stärken. Gleichzeitig wird damit eine gemeinwohlorientierte Verhaltensentwicklung aller Akteure zur Bewältigung der aktuellen und künftigen Herausforderungen zeitnah erzielt. Wissenstransfer, Bildung und Beratung wirken damit präventiv und tragen so zur Vermeidung von weniger akzeptierten ordnungsrechtlichen Eingriffen aufgrund von Verstößen bei. Insofern sind die Priorisierung des Wissenstransfers sowie die Förderung von Bildung, Beratung und Innovation existenziell und ausdrücklich zu begrüßen. Sie sind eine Investition in die Zukunft.

2 Beratungsförderung durch eigenständigen Förderbereich optimieren

Die Mitgliedsstaaten verfügen über vielseitige Erfahrungen mit der Förderung von Beratungsleistungen. Entsprechend den Forderungen des Europäischen Rechnungshofes nach mehr Effizienz und Zielorientierung erfordert deren Optimierung die Etablierung eines neuen, eigenständigen, passgenau auf den Wissenstransfer ausgerichteten Förderbereich. Nur so wird die effiziente und erfolgreiche förder- und verwaltungstechnische Umsetzung sicherstellt. Ein neuer Förderbereich „ELER - Wissen und Innovation“ ermöglicht eine spezifisch auf Bildung und Beratung ausgerichtete Systemoptimierung zur besseren Zielerreichung. Innovationen sind einzuschließen, weil Bildung und Beratung Innovationsprozesse maßgeblich unterstützen. Das momentan gültige Regelwerk ist auf investive bzw. flächenbezogene Maßnahmen ausgerichtet und beinhaltet Vorgaben, die Maßnahmen des Wissenstransfers entgegen laufen. So ist z.B. eine strategische Umweltprüfung der Maßnahme Beratung, die für Wissenszuwachs beim Klienten steht, nicht zweckmäßig. Eigene Vorgaben, die auf Maßnahmen für Wissenstransfer und Innovation ausgerichtet sind, erscheinen hingegen sinnvoll und erhöhen die Akzeptanz der Maßnahme bei den Akteuren und den Betrieben.

3 Beratungssysteme pluralistisch ausgestalten

Die Verpflichtung zur Einrichtung eines Beratungssystems auf der Basis der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik soll beibehalten und an die Erfordernisse der Mitgliedsstaaten angepasst werden. Durch unterschiedliche Ausgangssituationen in den Ländern entwickelte landwirtschaftliche Wissens- und Innovationssysteme müssen dabei Berücksichtigung finden. Gleichzeitig darf das Regelwerk eine offene Weiterentwicklung nicht einschränken. Wissenstransfer und Innovation sind, wie auch durch das Projekt PRO-AKIS belegt, als Gesamtsystem zu sehen. Die einzelnen Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Beratung sind spezifisch zu gestalten, dabei müssen diese jedoch an die Notwendigkeiten im jeweiligen Land anpassbar sein.

4 Freiraum für die Weiterentwicklung in den Mitgliedsstaaten schaffen

Über die Maßnahmen im Bereich der ländlichen Entwicklung hinaus darf auch das Beihilferecht die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Wissenssysteme in den Ländern - nicht wie derzeit - stark eingrenzen. In Anlehnung an Bildungsförderungssysteme, wie z.B. Erasmus, und an die Allgemeinbildung sind Einschränkungen weitmöglich zu beseitigen. Insbesondere in einer gemeinwohlorientierten Beratung, ist der Beleg des Anreizeffekts durch einen Antrag nicht notwendig. Die Inanspruchnahme einer Beratungsleistung zeigt, dass diese einen Nutzen für den Betrieb hat, da er die Sachleistung häufig anteilig bezahlen muss und auch Zeit für die Beratung einsetzt.

5 Gestaltungsfreiheit für neue Themen und Instrumente ermöglichen

Neue Bedarfe und Herausforderungen sind aktiv anzunehmen. Dazu ist eine kontinuierliche Maßnahmenanpassung unverzichtbar. Die heute gute Aus- und Fortbildung der Landwirtsfamilien bedingt Augenhöhe in der Bildung und Beratung. Der Bedarf an Bildung, prozessorientierter Beratung, Spezialberatung und Beratung in der Wertschöpfungskette steigt. Neue Anforderungen aus dem Bereich Bioökonomie und die Notwendigkeit des Dialogs mit der Gesellschaft sind aufzunehmen. Themen wie Biodiversität, Klimaschutz, Naturschutz, Tierwohl, Wasserschutz und Nachhaltigkeit sowie die zielgerichtete Umsetzung von weiteren EU-Politiken erfordern eine höhere Sensibilität und Flexibilität. Aus Effizienzgründen sind auch kombinierte Bildungs- und Beratungsangebote in Form von Paketlösungen zielführend. Um betriebsindividuelle Lösungen zu entwickeln, ist auch eine Anwenderförderung sinnvoll (z.B. spezielle Fragestellungen in der Diversifizierung). Auch die Weiterentwicklung der einzusetzenden Tools ist ein wichtiger Baustein, um die Wirkung von Bildung und Beratung zu erhöhen.

6 Erfolg durch Qualitätsmanagement sichern

Qualitätsmanagementsysteme für Bildung und Beratung zur Flankierung der Maßnahmen sind wichtiger als ein engmaschiges Kontrollsystem (z.B. durch Prüfung der Anwesenheit der Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme). Qualitätskriterien wie die Kompetenz der Akteure und systematische Fortbildung der Beraterinnen und Berater tragen wesentlich zum Erfolg bei. Im Bereich der Beratung ist die fachliche und methodische Qualifizierung der Beratungskräfte die wichtigste Qualitätsvoraussetzung. Gerade die methodischen und sozialen Kompetenzen der Beratungskräfte sind für die erfolgreiche Ausführung essentiell. Das Methoden-Bildungsangebot CECRA setzt dazu europäische Basis-Standards. Für die optimale Ausbildung der Referenten und Beratungskräfte bietet die IALB vielseitige Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele. Eine Förderung der Mitarbeiterqualifikation ist sinnvoll.

7 Vielfalt der Instrumente des Wissenstransfers erhalten

Wissenstransfer geht über den engeren Bereich der unmittelbaren Beratung der Landwirte hinaus. Dazu stehen vielfältige Instrumente zur Generierung praxisgerechter Ansätze zur Verfügung:

  • Bildungsangebote,
  • Beratungsangebote (Einzelberatung, Gruppenberatung),
  • Arbeitskreise, Prozessbegleitung und Coaching,
  •  Projekte zur Entwicklung neuer Beratungs- und Bildungsansätze, z. B. über die Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP),
  • Implementierung von neuen Bildungs- und Beratungsangeboten,
  • Dialogverfahren mit der Gesellschaft,
  • Bedarfs- und Evaluierungsstudien,
  • Qualifizierung und Zertifizierung von Beratungskräften sowie
  • Vernetzung der Akteure.

8 Wirkung durch Vernetzung erhöhen

Die Einbindung von Akteuren in Netzwerke (ENRD, EIP-Service-Point und weitere nationale sowie internationale Zusammenschlüsse) und deren Finanzierung erhöht die Wirkung von Wissenstransfer und Innovationen. Die intensive Zusammenarbeit einschlägiger Organisationen und der aktive Austausch von Erfahrungen und Best-Practice-Beispielen sind in die Unterstützung einzubinden.

9 Evaluierungs- und Kontrollmechanismen praktikabel anpassen

Die Wirkung von Wissenstransfer und damit die Erweiterung von Humankapital sowie eine gesteigerte Innovationsbereitschaft lassen sich nicht in Kilogramm oder Zentimeter messen. Der Erfolg von Bildungs- und Beratungsmaßnahmen, die zudem betriebsindividuell ausgerichtet sein sollen, sind daher schwer messbar. Bildung und Beratung unterstützen den Erwerb von Kompetenzen, die Verantwortung für die Umsetzung liegt jedoch allein bei den Landwirten. Die Anpassung an den Bedarf bzw. die Nachfrage und damit auch ein möglichst offener Beratungsumfang erzeugen eine bessere Wirkung. Outcome Mapping erfasst Projektfortschritte besser. Im Gegensatz zu klassischen Wirkungsmessungsmethoden liegt hier der Fokus nicht auf Leistungen des Projekts und dessen Effekten bei den Zielgruppen. Vielmehr konzentriert sich diese Wirkungsmessung auf Verhaltensänderungen von direkten Partnern, mit denen das Projekt arbeitet. Outcome Mapping ist ein qualitativer und partizipativer Ansatz und konzentriert sich auf den Beitrag des Projekts zur Entwicklung. Es ist zu prüfen, welche Evaluierungs- und Kontrollmechanismen praktikabel und anwendbar sind.

10 Mit weniger Bürokratie mehr Akzeptanz erreichen

Die Landwirtsfamilie nimmt Beratungsleistungen nur bei geringem bürokratischem Aufwand in Anspruch. Niedrige Einstiegshürden motivieren zur Inanspruchnahme. Die Kontrollen müssen motivierend und dürfen nicht abschreckend gestaltet sein. Ein etwaiger obligatorischer Abschlusstest reduziert die Akzeptanz der Maßnahme. Für die Anbieter von Bildungs- und Beratungsleistungen müssen attraktive Anreize für die Bereitstellung ihrer Angebote gegeben sein. Beratungsleistungen müssen darüber hinaus flächendeckend verfügbar , qualitativ hochwertig, neutral und frei von Verkaufsinteressen sein. Beratungsprozesse müssen mit einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand einhergehen. Wissensvermittlung darf in der betriebsspezifischen Anwendung nicht begrenzt werden (z. B. 1.500 € je Beratung in Art. 15). In der Praxis ist erwiesen, dass intensiver beratene Landwirte zufriedenere und erfolgreichere Kunden sind, auch hervorgerufen durch gewachsenes Vertrauen zwischen den beteiligten Partnern.

11 Mit Kontinuität verlässliche und planbare Rahmenbedingungen schaffen

Die Problematik „Wettbewerb versus Vertrauen“ als Grundlage für eine offene, neutrale Beratungsleistung ist ambivalent und kaum lösbar. Es ist in jedem Fall sehr sinnvoll, die Beratung im Sinne eines Vertrauensverhältnisses zu schützen. Wenn jedoch durch Vorgabe eines Anbieter-Wettbewerbs die bisherigen Berater des Vertrauens nicht ins Geschäft kommen, ist dies der Inanspruchnahme der Maßnahme nicht zuträglich. Wissenstransfer bedingt ein kontinuierliches Angebot, das keine Unterbrechung zwischen Förderperioden aufweisen darf. Bildung und Beratung brauchen eine langfristige Perspektive über 2020 hinaus. Nur bei einer verlässlichen Planungssicherheit und entsprechenden Rahmenbedingungen passen Organisationen ihr Angebot an die von der EU gewünschten Zielsetzungen an. Anderenfalls drohen Know-how- und Vertrauensverlust.

12 Kompetenz und Methodenfortbildung bei IALB und EUFRAS nutzen

Die Vielfalt der Wissenssysteme ist eine Chance. Sie ist pluralistisch strukturiert, baut auf historischen Entwicklungen auf und ist an die regionalen Gegebenheiten angepasst. IALB und EUFRAS ermöglichen den Austausch zwischen den Beratungskräften. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Strukturen und der Qualität des jeweiligen Wissenssystems. IALB und EUFRAS sehen in der länderüb ergreifenden Beratung der Beratungsorganisationen und Beratungskräfte im Sinne eines Coachings einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Agrarsektors über die regulären Tagungen hinaus.

Mit dem methodischen Kompetenzpaket CECRA ist ein wichtiges Qualifizierungsangebot für Berater bereits entwickelt. CECRA schafft eine Mindestbasis für die Standardisierung der methodischen Qualifizierung von Beratungskräften über Ländergrenzen hinweg, da das Zertifikat auch eine Hospitation einer Beratungsorganisation in ein em anderen Bundesland oder Land beinhaltet.

Weitere fördernde Rahmenbedingungen sind die Verknüpfung und wissenschaftli che Begleitung zur Optimierung der Wissenssysteme in den Ländern, wie dies über AKIS und PRO-AKIS erfolgt ist und fortgeführt werden muss. Eine zielgerichtete wissenschaftliche Begleitung dient der Optimierung der Wissenssysteme. In die Diskussion sind dabei auch neue Methoden der Wissensbereitstellung und die Weitergabe über neue Medien zu bringen. Gerne stehen die Verantwortlichen von IALB, EUFRAS und SEAN5 für einen Austausch und vertiefte Diskussionen zur Verfügung.